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Gutachten: Keine Betreiber-Entschädigung beim Kohleausstieg

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Berlin – Bei einem deutschen Kohleausstieg muss der Staat den Betreibern alter Kraftwerke keine Entschädigung zahlen. Das geht aus einem aktuellen Gutachten hervor. Basis der Argumentation ist ausgerechnete der Atomausstieg. Die Kraftwerkswirtschaft reagiert entsetzt.

Kohlekraftwerke, die älter als 25 Jahre sind, können vom Gesetzgeber im Rahmen eines Kohleausstiegsgesetzes stillgelegt werden, ohne dass der Staat zu Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber verpflichtet ist. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten der Kanzlei BeckerBüttnerHeld (BBH), im Auftrag von Agora Energiewende. Die Kraftwerksbetreiber haben bereits Stellung genommen.

Urteil zum Atomausstieg liefert Vorlage für Kohleausstieg
Das Gutachten hat die Frage untersucht, ob ein Kohleausstieg analog zum Atomausstieg mit Restlaufzeiten und Abschaltdaten für die Kraftwerke verfassungsrechtlich möglich wäre. Dazu wurde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016 zum Atomausstieg ausgewertet, in dem das Gericht die Entscheidung zum Atomausstieg nicht nur umfassend bestätigte, sondern auch grundsätzliche Aussagen zum energiepolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers getroffen hat.

Im Ergebnis ist eine entschädigungsfreie Stilllegung möglich, wenn den Betreibern eine angemessene Übergangsfrist gewährt wird. Im Regelfall ist dafür etwa ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes ausreichend, bei Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) etwas länger. Hat die Schließung von Kohlekraftwerken auch die Schließung von Braunkohletagebauen zur Folge, sind allerdings längere Übergangsfristen oder Entschädigungszahlungen nötig.

Keine Entschädigung nach Abschreibungsende
Bei der Frage, ob ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentum an Kraftwerken zulässig ist, ergibt eine Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht der Betreiber und dem Gemeinwohl demnach, dass abgeschriebene Kohlekraftwerke ohne Entschädigungsansprüche stillgelegt werden können – genau wie dies beim Atomausstieg erfolgt. Da Kohlekraftwerke in der Regel nach rund 25 Jahren Betriebsdauer abgeschrieben sind, können sie dann entschädigungsfrei stillgelegt werden. Weil der Gesetzgeber die Betreiber dabei jedoch nicht überraschen darf, ist eine angemessene Übergangsfrist nötig.

Knackpunkt Braunkohletagebau
Ein besonderes Augenmerk legt das Gutachten auf den Braunkohletagebau. Hier sei der Gesetzgeber verpflichtet, die Folgen eines Kohleausstiegs für den Tagebau zu berücksichtigen. Zwar sind Abbaugenehmigungen nicht direkt betroffen, der Braunkohleabbau dient jedoch fast ausschließlich der Stromerzeugung und muss daher beachtet werden. Hier sind die Fristen für die Betreiber demnach länger, ggf. müssen Zusatzkosten aufgrund von unplanmäßigen vorzeitigen Rekultivierung berücksichtigt werden.

Agora: Kohlekonsens zügig schließen
„Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik im Urteil zum Atomausstieg einen großen energiepolitischen Gestaltungsspielraum zugebilligt“, führt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende aus. Dieser Spielraum gelte auch für den Kohleausstieg. „So wie das Atomausstiegsgesetz auf Basis eines Atomkonsenses formuliert wurde, ist auch der Kohleausstieg auf Basis eines Kohlekonsenses möglich.“ Dieser Kohlekonsens sollte zügig vereinbart werden, schließlich hätten alle Parteien bestätig, dass sonst die deutschen Klimaschutzziele nicht erreichbar seien.

BDEW: Mangel an fundierter energiewirtschaftlicher Betrachtung
Kritik an dem „offensichtlich mit heißer Nadel gestrickten“ Gutachten kommt umgehend vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die Einbeziehung pauschaler Durchschnittsbetrachtungen, wie sie auch beim Atomausstieg herangezogen wurde, verbiete sich, wenn Kraftwerke gegen den Betreiberwillen abgeschaltet werden, so BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer. Zudem seien jüngere Investitionen zur Anlagenertüchtigung zu beachten, die in den letzten Jahren im großen Umfang zu Erhöhung der Flexibilität durchgeführt worden seien.

Kapferer bezweifelt zudem, dass angesichts umfangreicher Verpflichtungen, wie Kohle- und Strom-Lieferverträgen, eine einjährige Übergangszeit rechtskonform sein könne. Schließlich müssten Klimaschutz, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit gleichrangig behandelt werden. „Wann welche Kraftwerke vom Netz gehen können, lässt sich nicht am Schreibtisch von Anwaltskanzleien definieren. Hier bedarf es fundierter energiewirtschaftlicher Analysen, die beispielsweise die Netzstabilität in einer bestimmten Region im Blick haben müssen“, so der BDEW-Geschäftsführer.

© IWR, 2017


23.10.2017

 



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